Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Umbruch und Strukturwandel. Branchen wie beispielsweise die Energiewirtschaft (erneuerbare Energien) oder Automobilindustrie (Elektromobilität) sind von tiefgreifenden Veränderungen geprägt. Die vom Strukturwandel betroffenen Regionen benötigen Konzepte und Strategien, um eigene Stärken zu identifizieren und die Attraktivität für Firmenansiedlungen zu steigern.
Im Unterschied zu vielen regionalen Einzel-Förderprogrammen ist das SLAM-Modell (Standard Location Asset Model) eine ganzheitliche Analyse-und Führungskonzeption zur Entwicklung von Branchen in geographischen Räumen (lokale Standorte, Regionen, Länder). Der ganzheitliche Ansatz wurde vom IWR-Institut über mehrere Jahre entwickelt, im Jahr 2010 in der finalen Version veröffentlicht und anschließend im Rahmen einer Studie angewendet. Der SLAM-Ansatz ist grundsätzlich auf alle Branchen der Wirtschaft übertragbar.
1. SLAM – Der Modellansatz zur Entwicklung von Branchen
Ein Marketing-Konzept ist vielen als Führungskonzept mit den vier Leitparameter (Kommunikations-, Distributions-, Produkt- und Preispolitik) aus der Unternehmenswelt bekannt. Im Unterschied dazu richtet sich das SLAM-Konzept nicht an Firmen, sondern an die Wirtschaftsförderung oder Politik zur Entwicklung von Branchen in Regionen.
Das SLAM-Modell ist ein ganzheitliches Führungskonzept zur Entwicklung von Branchen. Für eine zu entwickelnde Branche in einer definierten Region sind danach die folgenden vier Leitparameter (Assets) von Bedeutung: 1. Nutzung, 2. Wirtschaft, 3. Forschung und 4. Bildung.
Auf der Grundlage dieser vier Leitparameter kann ein regional-spezifisches SLAM-Führungskonzept für eine spezielle Branche oder ein Wirtschaftsthema entwickelt werden. Das SLAM-Konzept setzt sich aus a) einem ganzheitlichen Analyseteil für die vier Leitparameter, b) einer spezifischen Zielformulierung in Abhängigkeit des Stärke- und Schwächeprofils sowie c) den strategischen und operativen Handlungsmaßnahmen zusammen.
Die Handlungsmaßnahmen (SLAM-Mix) können je nach Zielvorgaben in Bezug auf die vier Leitparameter gewichtet werden. Das Ergebnis ist ein operativer Ziel- und Handlungs-Mix, dessen Umsetzungsprozess in einem bestimmten Zeitintervall evaluiert wird.
2. Welche Themen- und Branchenfelder für eine Volkswirtschaft von hoher Bedeutung sind
Für eine Volkswirtschaft sind nach Allnoch (2010) die nachfolgenden sieben industrielle Themen- und Branchenfelder von zentraler Bedeutung:
1. Energie
2. Ernährung
3. Kommunikation
4. Medizin
5. Mobilität
6. Rohstoffe
7. Wohnen
Für diese industriellen Themen- und Branchenfelder können mit Hilfe des SLAM-Modells innerhalb einer definierten Region die Stärken- und Schwächen für die vier Leitfaktoren Ausbau, Wirtschaft, Forschung und Bildung ermittelt werden. Auf dieser Grundlage wiederum kann anschließend mit Hilfe einer Führungs-Rahmenkonzeption die gezielte Entwicklung von Branchen in der Region flankiert werden.
3. Umsetzung: Beispiel für die Branchen Medizin und Energie
Um ein SLAM-Konzept für einen Branchensektor erstellen zu können, wird eine ganzheitliche Analyse der Branche in dem vorgesehen Raum vorgenommen (Region, Land).
Auf der Grundlage der Ergebnisse (Stärken und Schwächen) aller vier Leitparameter kann ein SLAM-Konzept mit einem Ziel- und Handlungs-Mix erstellt werden. Nachfolgend zwei Beispiele:
3.1 Medizinwirtschaft
Der erste Leitparameter „Nutzung“ beinhaltet den Ausbau der medizinischen Versorgung (z.B. Versorgungsgrad und –struktur) für die Bevölkerung in einer bestimmten Redion oder Land. Der zweite Leitparameter umfasst den Bereich „Wirtschaft“, wobei zwischen der Nutzungswertschöpfung (u.a. Apotheken, medizinische Dienstleistungen, etc.) und der industriellen Wertschöpfung (Herstellung von medizinischen Geräten) unterschieden wird. Die dritte Assetklasse in der zu betrachtenden Region umfasst den Bereich der „Forschung“, d.h. der Medizinforschung in all seinen Facetten. Der vierte Leitparameter analysiert den Stand zur medizinischen Aus- und Weiterbildung.
Auf der Grundlage der Ergebnisanalyse (Stärken und Schwächen) für eine bestimmte Region kann im Rahmen eines Ziel- und Handlungs-Mix ein SLAM-Konzept erstellt und, mit konkreten Zielen versehen, entsprechend umgesetzt werden.
3.2 Regenerative Energiewirtschaft
Der erste Leitparameter „Nutzung“ beinhaltet den Ausbau der erneuerbaren Energien und den CO2-Minderungsbeitrag zum Klimaschutz. Der zweite Leitparameter umfasst den Bereich „Wirtschaft“, wobei zwischen der Nutzungswertschöpfung (u.a. durch den Betrieb der Anlagen vor Ort) und der industriellen Wertschöpfung (Herstellung von regenerativen Techniken) unterschieden wird. Die dritte Assetklasse umfasst den Bereich der „Forschung“, d.h. der regenerativen Energieforschung in all seinen Facetten. Der vierte Leitparameter analysiert den Stand zur Aus- und Weiterbildung auf dem regenerativen Energiesektor.
Auf der Grundlage der Ergebnisanalyse (Stärken und Schwächen) kann im Rahmen eines Ziel- und Handlungs-Mix ein SLAM-Konzept erstellt werden.
Praktische Umsetzung und Anwendung des SLAM-Modells
- Studie "Zur Lage der Regenerativen Energiewirtschaft in Nordrhein-Westfalen 2013"
3.3 Offshore Windindustrie
Mit der zunehmenden Nutzung der Offshore Windenergie entwickelt sich in Deutschland neue, dynamisch wachsende Industriebranche. Unternehmen aus der maritimen Wirtschaft und der Windbranche fügen sich zu einer neuen Branche zusammen. Die vom Internationalen Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) konzipierte und umgesetzte Webseite www.offshore-windindustrie.de basiert auf dem SLAM-Modell und ermöglicht eine ganzheitlich-systematische Entwicklung der Offshore-Windbranche.
Praktische Umsetzung und Anwendung des SLAM-Modells
- Webseite "www.offshore-windindustrie.de "
4. Historische Entwicklung des SLAM-Modells
Das SLAM-Modell ist das Ergebnis eines jahrelangen Entwicklungsprozesses. Am Anfang stand die ganzheitliche Beurteilung der Windenergienutzung an einem konkreten Einzelstandort. Im Jahr 1995 wurde erstmals der Branchen-Begriff „Regenerative Energiewirtschaft“ als Medaille mit den zwei Parametern „Energie & Umwelt“ sowie „Wirtschaft“ definiert. Auf dieser Grundlage wurden vom IWR Untersuchungen der Branche für verschiedene Regionen durchgeführt. Im Jahr 2010 erfolgte die Erweiterung des ganzheitlichen Systemansatzes für die Regenerative Energiewirtschaft aus dem Jahr 1995 um die Bereiche Forschung und Bildung.
Seit 2012 wird das Modell – eine weitere Abstraktionsebene höher und damit übertragbar auf alle Branchen - unter dem allgemeinen Namen SLAM-Modell (Standard Location Asset Model ) als ganzheitliche Führungskonzeption für die Standort- und Strukturpolitik von Branchen in Regionen geführt.
5. Führungskonzept "Marketing für Unternehmen" versus "SLAM für Wirtschaftspolitik"
Unterschied und Abrenzung zwischen Marketing (Unternehmen) und SLAM-Modell (Branchen)
- Marketing: Führungskonzeption zur Entwicklung von einzelnen Unternehmen
- SLAM-Modell: Führungskonzeption zur Entwicklung von ganzen Branchen in geographischen Räumen
Links
1. Allnoch, N. (2015): Zur strukturpolitischen Dimension der Energiewende. Vortrag auf dem 19. Fachkongress Zukunftsenergien am 10. Februar 2015 im Rahmen der E-world energy & water
2. Allnoch, N. (2014): SLAM-Konzept – ein Analyse- und Steuerungsinstrument für Branchen, In: Monatsreport Regenerative Energiewirtschaft (ISSN 1867-3279) 02/2014, S. 5 - 6.
3. Allnoch, N., Bertram, F., Jostmeier, H., Kleinmanns, B., Schlusemann, R. (2014): Zur Lage der Regenerativen Energiewirtschaft in NRW 2013, Studie 1: Erneuerbare Energien, 2013, Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein – Westfalen (MKULNV)
4. Schlusemann, R. (2013): Anwendung des SLAM-Ansatzes am Beispiel der Region Düsseldorf. Vortrag im Rahmen des Projektes Low Carbon Future Cities - Möglicher Nutzen einer verstärkten regionalen Zusammenarbeit im Bereich Klimaschutz und Energiewende in der Region Düsseldorf+, Workshop am 15.05.2013
5. Allnoch, N. (2012): Masterplan Regenerative Energiewirtschaft – Konzeption und Umsetzung. Vortrag auf der Fachtagung am 06.06.2012 zu ökonomischen Auswirkungen der Energiewende - Schwerpunkt: Beschäftigungseffekte in den Bundesländern, Agentur für Erneuerbare Energien, Berlin 2012