Trend-Meinung
Die Strompreise steigen mit dem Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland, weil die Atomkraftwerke und die Kraftwerksleistung fehlen. Die Kosten für den fehlenden Atomstrom müssen wieder die Verbraucher zahlen.
Fakten zum Atomausstieg und den Strompreisen
Fakt ist, dass seit dem 15.04.2023 sämtliche Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gegangen sind. Die Großhandels-Strompreise sind trotz der Abschaltung von 6 AKW wieder auf dem Stand vom Sommer 2021.
Nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima hat die Bundesregierung 2011 zunächst die Abschaltung der ältesten Atomkraftwerke (Unterweser, Brunsbüttel, Krümmel, Biblis A und B, Philipsburg 1, Isar 1, Neckarwestheim 1) im Rahmen eines Moratoriums beschlossen. Der weitere Abschaltungsplan sieht eine stufenweise Stilllegung bis zum Jahr 2022 vor. Danach ist die Ära der Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung in Deutschland beendet. Allerdings ist nur die Nutzung beendet. Die sichere Beseitigung und Endlagerung des Atommülls wird noch Generationen beschäftigen und zig Milliarden Euro kosten.
1. Stromproduktion durch Atomkraftwerke in Deutschland
Die Stromerzeugung aus Atomkraftwerken in Deutschland begann im Februar 1962 mit dem Betrieb des Kernkrafwerks Kahl. Im Jahr 2022/15.04.2023 endete die Stromerzeugung aus Atomkraftanlagen mit der Stilllegung der zuletzt in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke Neckarwestheim 2, Isar II und das Kernkrafwerk Emsland/Lingen. Die Stromerzeugung aus Atomkraftwerken erreichte im Jahr 2001 den Spitzenwert von 171,3 Milliarden Kilowattstunden Strom.
Atomstrom in Deutschland (1996 - 2019)
2. Klimabilanz: Ausbau Erneuerbarer Energien ersetzt Atomstrom und Kohlestrom-Produktion
Häufig wird kritisiert, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht zur Senkung der CO2-Emissionen beiträgt. Tatsächlich ersetzt der zunehmende Ausbau der Erneuerbaren Energien den Atomstrom und den Strom aus Braun- und Steinkohlekraftwerken. (Energiestatistik Strom Deutschland).
Atomstrom versus EE-Strom (2010 - 2018)
3. Strompreise vor und nach dem endgültigen Atomausstieg in Deutschland
Die Großhandels-Strompreise an der Börse sind ein wichtiger Indikator für die Verbraucher-Endstrompreise. Nachfolgende Grafik zeigt die turbulente Entwicklung in den letzten zwei Jahren. Bereits im Sommer 2021 führten - aber nicht unbedingt ungewöhnlich - gedrosselte Gaslieferungen aus Russland bereits zu moderaten Preisanstiegen bei Gas und Strom. Grund für den anschließenden rasanten Preisanstieg Ende 2021 war der massive und unvorhergesehene Ausfall französischer Atomkraftwerke, der u.a. zu zahlreichen Insolvenzen von Strom-Billiganbietern in Deutschland geführt hat. Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine verschärfte sich die Situation rund um die Gasversorgung noch einaml, die - zusätzlich zum massiven Ausfall der französischen Atomkraftwerke - zu exremen Preisanstiegen führte. Erst mit dem Rückgang der Gaspreise Anfang 2023 und der Wiederinbetriebnahme französischer Atomkraftwerke sowie wegen des Ausbaus der erneuerbaren Energien in Deutschland, beruhigte sich die Situation wieder.
Großhandels-Strompreise in Deutschland 2021 - 2023
4. Status der Atomkraftwerke in Deutschland
In Deutschland gab es insgesamt 36 kerntechnische Anlagen bzw. AKW-Blöcke. Der Status der jeweiligen Kernkraftwerke (abgeschaltet, im Rückbau und vollständig beseitigt) ist in den jeweiligen Tabellen mit Start- und Abschaltdatum aufgelistet.
Tabelle 1: Abgeschaltete oder im Nichtleistungsbetrieb befindliche Atomkraftwerke |
|||||
Lfd. Nr. |
Name |
Standort |
Leistung (MW) |
Abschaltung |
Start |
1 | Neckarwestheim 2 |
Neckarwestheim | 1.400 | 2022/ 15.04.23 |
1989 |
2 | Isar II |
Essenbach | 1.485 | 2022/ 15.04.23 |
1988 |
3 | Emsland |
Lingen | 1.406 | 2022/ 15.04.23 |
1985 |
4 | Grohnde |
Grohnde | 1.430 | 2021 | 1985 |
5 | Brokdorf | Osterende |
1.480 | 2021 | 1986 |
6 | Gundremmingen C |
Gundremmingen | 1.344 | 2021 | 1985 |
7 | Philippsburg 2 | Philippsburg |
1.468 | 2019 | 1985 |
8 | Gundremmmingen |
Gundremmingen | 1.344 | 2017 | 1984 |
9 | Grafenrheinfeld |
Schweinfurt | 1.345 | 2015 | 1982 |
10 |
KKB Brunsbüttel |
Brunsbüttel |
806 |
2011 |
1977 |
11 |
KKK Krümmel |
Geesthacht |
1.401 |
2011 |
1984 |
12 |
Unterweser |
Stadland |
1.410 |
2011 |
1979 |
13 |
Philippsburg 1 |
Philippsburg |
926 |
2011 |
1980 |
14 |
THTR |
Hamm |
308 |
1988 | 1987 |
15 |
KWL Lingen |
Lingen |
268 |
1977 | 1968 |
Tabelle 3: Atomkraftwerke im Rückbau |
|||||
Lfd. Nr. |
Name |
Standort |
Leistung (MW) |
Abschaltung |
ca. Kosten Rückbau |
16 | Biblis A | Biblis | 1.225 | 1975 2011 |
|
17 | Biblis B | Biblis | 1.300 | 1977 2011 |
|
18 | Neckarwestheim 1 | Neckarwestheim | 840 |
2011 |
|
19 | Isar 1 | Essenbach | 912 | 2011 1979 |
1 Mrd. Euro |
20 |
Gundremmingen A |
Gundremmingen |
250 |
1977 1967 |
1983 - ? |
21 |
Karlsruhe MZFR |
Karlsruhe |
57 |
1984 1966 |
|
22 |
AVR Jülich |
Jülich |
15 |
1988 1969 |
aus Steuermitteln |
23 |
Mühlheim-Kärlich |
Mühlheim-Kärlich |
1.302 |
1988 1987 |
|
24 |
Rheinsberg |
Gransee |
70 |
1990 1966 |
aus Steuermitteln 1990 - ? |
25 |
Greifswald 1 |
Greifswald |
440 |
1990 1974 |
|
26 |
Greifswald 2 |
Greifswald |
440 |
1990 1975 |
|
27 |
Greifswald 3 |
Greifswald |
440 |
1990 1978 |
|
28 |
Greifswald 4 |
Greifswald |
440 |
1990 1979 |
|
29 |
Greifswald 5 |
Greifswald |
440 |
1990 1989 |
|
30 |
Karlsruhe KNK II |
Eggenstein |
21 |
1991 1979 |
aus Steuermitteln |
31 |
Würgassen |
Würgassen |
670 |
1994 1975 |
> 1 Mrd. Euro |
32 |
Stade |
Stade |
672 |
2003 1972 |
1 Mrd. Euro 2005-2023 (e) |
33 |
Obrigheim |
Obrigheim |
357 |
2005 1969 |
2008-2025 (e) |
Tabelle 4: Atomkraftwerke vollständig beseitigt |
|||||
Lfd. Nr. |
Name |
Standort |
Leistung (MW) |
Abschaltung Start |
Kosten Rückbau abgeschlossen |
34 |
HDR Großwelzheim |
Karlstein |
25 |
1971 1970 |
1998 |
35 |
KKN Niederaichbach |
Niederaichbach |
106 |
1974 1973 |
1987 - 1995 |
36 |
VAK Kahl |
Kahl |
16 |
1985 1962 |
1988 - 2008 |
Hinweise:
- Leistung = Brutto-Leistung
- Startjahr = Jahr der kommerziellen Stromproduktion
Daten: IWR, International Atomic Energy Agency, Informationskreis Kernenergie
5. Europa: Abgeschaltete Atomkraftwerke in Europa
Tabelle 5: Aktuelle Stilllegungen (permanent shutdown) von Atomkraftwerken in Europa |
||||||
Name |
Standort |
Land | Leistung* (MW) |
Abschaltung |
Start Betrieb
|
|
2020 | ||||||
Fessenheim 2 | Fessenheim | Frankreich | 920 | 30.06.2020 | 1978 | |
Fessenheim 1 | Fessenheim | Frankreich | 920 | 22.02.2020 | 1978 | |
2019 | ||||||
|
Philippsburg | Deutschland | 1.468 | 2019 | 1985 | |
Ringhals 2 |
Varberg |
Schweden
|
963 | 2019 | 1975 | |
Muehleberg |
MÜhleberg |
Schweiz
|
390 | 2019 |
1972 | |
Gesamt | 3.741 |
Daten: IWR, *Gross Electrical Capacity lt. International Atomic Energy Agency (IAEA)
6. Welweite Entwicklung der Nutzung der Atomenergie
Weltweit werden Atomkraftwerke fast ausschließlich nur noch von Staatsunternehmen (China, Russland, Frankreich, Südkorea) gebaut. Für Unternehmen aus der Wirtschaft ist das wirtschaftliche und haftungsrechtliche Risiko zu hoch.
Strom aus Atomkraftwerken weltweit (2000 - 2018)
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Links zu Atommüll und Entsorgung
1. BMWi-Gutachten v. 09.10.2015: Gutachten zur Überprüfung der Kernenergie-Rückstellungen
2. Reuters: French nuclear waste will triple after decommissioning -agency
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